Fazit: Die Lytro-Lichtfeldkamera gefällt mit ihrem gänzlich andersartigen, puristischen Design und glänzt mit der Innovation der nachträglichen Fokusveränderung. Diese funktioniert tadellos und geschmeidig. Doch das Gesamtpaket lässt noch deutlichen Spielraum für Weiterentwicklung erkennen. Die Bildqualität ist in der Vollansicht eher mittelmäßig und in der fotografischen Praxis nervt das mickrige Display. Diese Kritikpunkte basieren auf einem traditionellen Verständnis vom Fotografieren. Es mag durchaus sein, dass die Lytro ihrer Zeit voraus ist und für eine Foto-Zukunft steht, in der wir unsere Fotos hauptsächlich als flexibel veränderbare Bildschnipsel in den Social-Media-Netzwerken teilen und erleben werden.

Die Lytro-Kamera kommt nach Deutschland – ein Jahr nach dem Start in Amerika. Im Gepäck hat die Kamera faszinierende Bildeffekte und frische Funktionen. Jeder kann nachträglich mit Schärfe und Unschärfe in den Lytro-Aufnahmen spielen. Das lang geheim gehaltene WLAN ist nun aktiv und sorgt für die sofortige Vernetzung mit dem Smartphone. Doch noch fällt die Revolution der Fotografie aus.
Die Lytro-Kamera funktioniert grundsätzlich anders als normale Digitalkameras. Bei diesen fällt das Licht auf den Bildsensensor, wird dort in ein elektrisches Signal umwandelt und im Anschluss errechnet der Bildprozessor das Foto. Über Bildschärfe und Fokuspunkt entscheiden die Einstellungen, die der Fotograf oder die Kamera-Automatik schon vor der Aufnahme festgelegt hat.
Lytro hat Megarays statt Megapixel
Die Lichtfeldkamera erfasst hingegen die Richtung des einfallenden Lichts, bevor es auf den Sensor trifft und errechnet zusammen mit den Informationen zu Farbe und Helligkeit eine Bilddatei, in der Sie Fokus und Tiefenschärfe nachträglich verändern können. Eine klassische Auflösungsangabe in Pixeln nennt der Hersteller nicht, sondern gibt die Lichtfeldauflösung mit „11 Megastrahlen“ (Megarays) an. Doch so viel zur Theorie – wer zum ersten Mal die Lichtfeldkamera in der Hand hält, muss sich beim Fotografieren zunächst komplett umgewöhnen.
Mit den drei Lytro-Fotos in diesem Test können Sie selber mit der Schärfe spielen. Klicken Sie auf einen Punkt im Bild, die Bildschärfe verändert sich innerhalb weniger Sekunden.

Bedienung & Gehäuse: Digicam 2.0
Die Kamera besteht aus einem quaderförmigen Metallgehäuse, dessen hinteres Drittel mit einer Gummischicht überzogen ist. Die Verarbeitung ist erstklassig, das Design klar und edel – vor allem Apple-Fans werden daran Gefallen finden. Da trifft es sich gut, dass die notwendige Software, ohne die Sie mit der Kamera rein gar nichts anfangen können, derzeit nur mit Mac-Rechnern funktioniert; eine Windows-Version soll laut Lytro noch 2012 folgen.
Vorne am Gehäuse sitzt die große Objektivlinse (8fach-Zoom mit 43-340mm KB, Lichtstärke F2.0), an der Rückseite ein nahezu quadratisches Farb-Display mit Touch-Bedienung. Dieses misst nur 3,3 cm in der Diagonale und liefert eine sehr kleine und wenig scharfe Ansicht (49.000 Bildpunkte), auch die Farbtreue ist in der Praxis eher mau. Bedienelemente gibt es äußerst wenige. Der Einschaltknopf ist unten in die Gummierung eingelassen, der Auslöser oben. Um zu zoomen, streichen Sie mit dem Finger über eine geriffelte Fläche auf der Oberseite der Gummischicht. Das Zoom arbeitet langsam und nicht sonderlich präzise, der Autofokus zieht bisweilen nicht zuverlässig nach.
Im Display lässt sich ein einfaches Menü aufrufen, das Basis-Infos wie Akkuladestand, Speicherbelegung und zwei Foto-Modi anzeigt: Normal und Kreativ, bei dem Sie per Fingertipp fokussieren. Durch die im Speicher der Kamera abgelegten Fotos (die Lytro bietet keinen Speicherkarten-Slot) blättern Sie per Touch-Wischgeste.
Geschlossenes System: Fotos und Spezial-Funktionen
Um Ihre Fotos anschauen zu können, verbinden Sie die Kamera mit Ihrem Mac und installieren die im kamera-Speicher hinterlegte Software „Lytro Desktop“. Dort sehen Sie die Fotos in Vorschau, allerdings recht klein und nahezu rechteckig (etwa 12 x 11 cm). Die Funktion, um die Bilder als JPEG-Datei (mit 1.080 x 1.080 Pixel) auf die Festplatte runterzuladen, ist etwas versteckt – das geht nur im Menü „All Pictures“, nicht in der Einzelansicht. Alternativ können Sie die Fotos (nachdem Sie sich registriert haben) auf den Server von Lytro senden. Dort lässt sich in der Flashplayer-Applikation eine Vollbildansicht in Bildschirmgröße öffnen. In beiden Anwendungen (im Programm und online) können Sie das Bild per Facebook, Twitter oder Google+ teilen.
Nur vor der Umwandlung zum JPEG lässt sich die coolste Funktion der neuen Kamera nutzen: Sie können im Bild den Fokus per Mausklick frei verändern, besonders bei Effekten in die Tiefe sieht das klasse aus. Das ist einzigartig und macht richtig Spaß. Wenn man die generelle Bildqualität nach den Foto-Kriterien beurteilt, die wir für unsere Kameratests anwenden, zeigt sich aber, dass Schärfe, Bildrauschen und Farbtreue der Lytro allenfalls auf dem Niveau einer Einsteiger-Kompakten liegen.
Preis und Verfügbarkeit
Lytro verkauft die Kamera nur in den USA, die Version mit 8 GByte Speicher kostet 400 US-Dollar, die 16-GByte-Variante 500 US-Dollar.